Standortmarketing im Fokus – HMTG-Chef im Gespräch

HANNOVER. Wenn man sich mit Hans Christian Nolte im „Haus der Wirtschaftsförderung“ zum Gespräch trifft, gelangt man auf lichtdurchflutetem Gang in helle große Räume und blickt mitten auf das Herz der Stadt. Das Büro des Geschäftsführers der Hannover Marketing und Tourismus GmbH (HMTG) hat Geschichte, denn hier stand vor über 100 Jahren der Schreibtisch des „Conti-Gründers“ Siegmund Seligmann (1853-1925). Aus dem Besprechungsraum schaut der 62-Jährige direkt auf das, was ihn seit seinem Amtsantritt 2002 jeden Tag umtreibt: Hannover – mit all seinen unterschiedlichen Nutzern. Einwohner, Pendler, Touristen, Geschäftsreisende – Wie sind, bleiben und werden die Landeshauptstadt und die 20 weiteren Städte und Gemeinden der Region Hannover ein attraktiver Standort für alle diese Personengruppen? Was zieht Menschen und Unternehmen von außerhalb hierher? „Wir haben bisher viel umsetzen können und viel erreicht, auch im Hinblick darauf, dass wir während und nach der Corona-Pandemie stark Federn gelassen haben.“ Es ist ein Spagat in der Themenvielfalt und vieler Interessen von Gesellschaftern, Stakeholdern und Partnern bei der HMTG. Am Ende ist die finanzielle Ausgestaltung und die personelle Aufstellung ein wesentliches Element für das Gelingen großer Ambitionen an einem Standort, stellt Nolte klar.

„Bisher wurde aus Wenig Viel gemacht“

„Ursprünglich wurde die HMTG gegründet, um Standortmarketing zu betreiben, das Tourismusmarketing haben wir irgendwann zusätzlich übernommen. Mittlerweile macht dieser Bereich allerdings bis zu 80 Prozent unserer Arbeit aus“, blickt Nolte im Gespräch mit dem WirtschaftsDienst zurück. Dieses Verhältnis soll sich nun deutlich ändern – ohne sich natürlich künftiger weniger um Touristen zu kümmern. Bisher machte Nolte aus Wenig Viel, denn im Vergleich zu großen Städten wie München, Hamburg oder Köln sei das Budget des Marketingexperten sehr viel niedriger: Zuletzt lag das Budget der HMTG bei rund 1,5 Millionen Euro jährlich, davon rund 800.000 Euro aus Zuschüssen von Stadt und Region sowie rund 700.000 Euro aus eigenen Einnahmen wie Merchandising und Stadtführungen. „Unser Standortmarketing haben wir bisher aus dem Verkauf von Hannover-Magneten finanziert“, spitzt Nolte schmunzelnd zu. „Wir hinken den Vermarktungsgesellschaften der großen deutschen Städte weit hinterher“.


Unter dem Motto „Ideale Stadt & Raum für Innovation“ will die HMTG mit einem neuen Leitbild in Richtung Zukunft gehen. Für die Erstellung war eine umfassende Befragung von rund 3.000 Personen außerhalb der Region durchgeführt und Ambitionen, Stärken sowie Leuchttürme des Standorts herausgearbeitet worden. „Die Ergebnisse aus der Analyse haben uns einen Kommunikationsleitfaden beschert, an dem auch der Zukunftsforscher Matthias Horx beteiligt war, mit dem Ergebnis eines neuen Leitbilds, welches der Aufsichtsrat im November beschlossen hat.“ Mit dem Beschluss wird auch die Finanzierung der HMTG neu aufgestellt. Stadt und Region wollen die Gelder aufstocken, bis zu zwölf Millionen sind bis 2026 zugesagt, um den Tourismus zu stärken und das Marketing neu auszurichten. Die Gelder sollen in Absicherung der touristischen Infrastruktur, Stärkung des Standorts als Messe-, Kongress-, Kultur- und Veranstaltungsort und die neue Ausrichtung des Standortmarketings fließen. Einen ersten Aufschlag der Standortmarketingkampagne finanzierte die HMTG Anfang des Jahres allerdings zunächst aus „Restmitteln“. In vier verschiedenen Bundesländern wurden Plakat- und Anzeigenmotive der Kernbotschaften „Robotic City“, „Digital Health City“, „Smart City“ sowie die Bedeutung von Hannover und seinem Umland als Wissens- und Forschungsstandort gespielt.


„Wir profitieren von mehr Sichtbarkeit“
Der HMTG-Chef blickt nach vorn und berichtet, dass zukünftig eine neue Abteilung mit bis zu fünf Personen, einschließlich eines zusätzlichen Co-Geschäftsführers, aufgebaut werden soll. 4,5 Millionen Euro pro Jahr sollen hierfür bereitgestellt werden, um die Standortmarke international weiter sichtbar zu machen und das Standortmarketing voranzubringen. „Hannover würde von mehr Sichtbarkeit national und international profitieren“, ist er sich sicher. Aber neben all den Maßnahmen und Kampagnen zur Erhöhung der Attraktivität des Standorts, werde leider oft übersehen, dass die HMTG nicht nur Standortmarketing mache. Denn Nolte und sein Team koordinieren parallel noch das Kongress- und Veranstaltungsbüro und die Hannover Veranstaltungs GmbH (HVG), 100-prozentige HMTG-Tochter. Und damit zusätzliche Aufgaben, die die HMTG im Laufe der vergangenen zwölf Jahre mit übernommen hat. Während die HVG in der Organisation der Veranstaltungshighlights wie dem Maschseefest, dem Internationalen Feuerwerkswettbewerb oder – in Kooperation – dem Festlichen Wochenende am Steinhuder Meer steckt, betont Nolte, dass die HMTG neben diesen Tourismusaufgaben „nicht dafür verantwortlich sei, Hotelbetten zu füllen“. Standort- und Tourismusmarketing parallel blieben in der Kombination und mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen eine Mammutaufgabe.


Transformation hat Hotelbranche erreicht
„Der Standort muss für die Ansiedelung von Unternehmen und Gründern genauso wie für Fachkräfte und Geschäftsreisende interessant bleiben und werden.“ Schön zu sehen, dass sich Nolte über „Firmenbosse“ freut, die „sich ganz explizit für den Standort Hannover entschieden haben“. Was heute zunehmend zählt, sagt er, seien nachhaltige Mobilität, blaue Ökologie, Co-Working Spaces und Reurbanisation – auch eben jene Schwerpunkte, die die Ausrichtung des neuen Leitbilds der HMTG prägen. Analog hierzu sieht er die Entwicklung der Hotelbranche, die sich inmitten der Transformation befinde und zeigt aus dem Fenster: „Hier wird umgebaut, dort wird neu gebaut. Es ist derzeit vieles im Wandel, da hat auch die neue „Bettensteuer“ nicht zur Stimmungsaufhellung beigetragen“, bemerkt er. Hinzukomme, dass sich die Ansprüche der Touristen und der Geschäftsreisenden massiv gewandelt haben. Viele Angebote würden nicht mehr nachgefragt, die „kleinen Hoteliers müssen sich mit den großen internationalen Ketten messen, die immer stärker nach Hannover drängen. Wir brauchen die Betten am Standort, aber gerade die inhabergeführten Häuser stehen schon jetzt vor Schwierigkeiten. Investitionen sind notwendig“. Er ist sich sicher, dass die Nachfrage nach Hotels noch zunimmt, denn im Kongressbüro herrsche reger Betrieb und weitere Kongresse sollen in die Region geholt werden.
Festzuhalten bleibt, dass die bisher umgesetzten Maßnahmen und Kampagnen ihren Zweck erfüllt haben. Noltes Bilanz der letzten Jahre kann sich somit sehen lassen. Und am Ende ist er zufrieden mit dem, was er gemeinsam mit seinem Team und vielen Unterstützern auf die Beine gestellt hat. Es gibt mehr Angebote, auch viele zusätzliche Stadtführungen.  „Gut, dass wir breit aufgestellt sind“, sagt er und hat bereits die nächsten Projekte im Kopf. (AL/AB)


Das Gespräch führten Redaktionsleiterin Annamaria Landsmann-Bosk und Herausgeber Andreas Bosk.

Foto: Windels / HMTG